Mit den ersten Siedlern im 17. Jahrhundert kamen auch die ersten Ballsportarten nach Amerika, welche sich im 19. Jahrhundert zu den bekannten amerikanischen Sportarten American Football, Baseball und Basketball um- und ausgestalteten. Diese sind die Sportarten, die die amerikanische Sportgesellschaft in der Vergangenheit dominierten und heute als hegemoniale Sportkultur bezeichnet werden können.
Hegemoniale Sportarten in den USA
Hegemonie (griechisch „Führung“) ist eine politische, militärische, wirtschaftliche und/oder kulturelle Überlegenheit und beschreibt eine Vormachtstellung im politischen und/oder kulturellen Sinne eines Staates gegenüber anderen Staaten. Wissenschaftler wie Andrei S. Markovits (2002: 37) transferieren diesen Begriff auf den Sport und beschreiben in der amerikanischen Gesellschaft eine kulturelle Vormachtstellung der Großen Dreieinhalb, die als eine dominante Kraft relativ exklusiv wirkt. Keine hegemoniale Macht dominiert jemals ausschließlich, weshalb eine Eingrenzung vorgenommen werden muss: Die Großen Dreieinhalb als die hegemoniale Sportkultur sind auf eine spezifische Gruppe bezogen, vor allem auf die Rezipienten vor den Fernsehgeräten.
„Unter hegemonialer Sportkultur verstehen wir eine soziale Konstruktion, die all das enthält, was Menschen in einer Kultur im Hinblick auf einen bestimmten Sport aufnehmen, was sie lesen, diskutieren, analysieren, vergleichen und in ihrem historischen Gedächtnis bewahren. In erster Linie umfasst sie den Akt des ‚Verfolgens’ weit mehr als jenen des ‚Tuns’.“ (Markovits/Rensmann 2007: 12)
Die hegemoniale Sportkultur der Großen Dreieinhalb bezieht sich mit anderen Worten auf die „coach potatoes“.
In diesem Sinne definiert sich die Sportkultur als das, was die Leute in den Medien aufnehmen und worüber sie in ihrer Freizeit reden. Die hegemoniale Dominanz der Großen Dreieinhalb im Fernsehen macht vor allem American Football zum Paradebeispiel einer erfolgreichen „Fernsehsportart“. Dieser ist in den USA eine der beliebtesten Mannschaftssportarten vor den Fernsehbildschirmen und steht für wissenschaftliche Innovation und das moderne kapitalistische Amerika von heute. Er wird von Schul-, College- und Profimannschaften gespielt und hat an den Universitäten seine Wurzeln, wo in der Vergangenheit Fußball („running game“) und Football/Rugby („kicking game“) als eine Sportart vereint existierten.
Als The Boston Game ging die „kicking game“- Variante in die Geschichte von Harvard ein und bereitete so den Boden für den Erfolg des American Football bei gleichzeitiger Marginalisierung des Fußballs. Football ist ein dem „Rugby nachempfundenes Kampfspiel“ in dem ein „eiförmiger Lederhohlball durch Tragen, Werfen oder Treten hinter die gegnerische Grund- oder Endlinie gebracht“ werden muss (Kuhn 1994: 10).
Als klar definiertes Teilziel steht dabei die Überwindung von 10 Yards (Raum). Die National Football League (NFL) spielt in verschiedenen Divisionen (Atlantic– und Pacific Division), aus denen am Ende die 16 besten Mannschaften in den Playoffs im KO- System um den Einzug in das Finale (Super Bowl) kämpfen.
American Football, Baseball, Basketball und ein bisschen Eishockey
Viele wesentliche Punkte im organisatorischen Aufbau der Großen Dreieinhalb sind identisch, wie z.B. die dezentrale Aufteilung der jeweiligen Mannschaften in Ost- und West, Nord- und Süd Divisionen, die nach Beendigung der regulären Saison in den Playoffs den Meister ausspielen. Eine wesentliche Eigenschaft ist weiterhin, dass es immer verschiedene nebeneinander existierende Ligen (auch professionelle) in allen Mannschaftssporten der Sportgesellschaft/Sportkultur der USA gegeben hat (vgl. Rockerbie 2007: 117). Erst die Reorganisation der Sportlandschaft Ende der fünfziger Jahre, eingeleitet durch das Fernsehen, hat den Druck auf die verschiedenen nebeneinander existierenden Ligen soweit erhöht, dass sich nur die wirtschaftlich stärksten behaupten konnten.
Beim American Football (AFA und NFL zur NFL) und beim Baseball (NL und AL zur MLB) führte das dazu, dass sich konkurrierende Ligen zusammengeschlossen haben. Konkurrierende Ligen der NBA und der NHL konnten sich dagegen nicht erfolgreich durchsetzen (vgl. ebd.: 117). Eine sich daraus ergebene Tatsache ist, dass es sich in den USA um abgeschlossene Ligasysteme handelt, in der keine Mannschaft absteigt, egal wie schlecht sie spielt und anderes herum auch nie eine Mannschaft leistungsbedingt aufsteigen kann. Die amerikanischen Mannschaftssportarten funktionieren nicht nach dem europäischen Leistungsprinzip Gedanke: Gute Mannschaften steigen auf und schlechte Mannschaften steigen ab.
Eine eigene Ästhetik
Auch im Spielaufbau und im Spielablauf gibt es zwischen allen drei großen Sportarten der US-amerikanischen Sportkultur mehr Gemeinsamkeiten, als Unterschiede zu registrieren. Der wesentliche Aspekt des Ablaufs von allen drei großen amerikanischen Sportarten präsentiert sich in der definierten Aufteilung der Spiele in präzise abgegrenzte Teilaktionen angreifender Teile der Mannschaft und verteidigender Teile der Mannschaft. Wir sprechen demzufolge bei den wichtigsten amerikanischen Sportarten von einem System, was deutlich Angriff und Verteidigung von einander trennt (im laufenden Spiel) (Siehe Fußball Ästhetik)
Gemeinsam haben alle Mannschaftssportarten in den USA ihre unverkennbare wirtschaftliche Ausrichtung, wo vor allem die Großen Dreieinhalb als marktorientiert agierende und sich selbst tragende, extrem erfolgreiche Wirtschaftsunternehmen (franchise) gelten, die sich ideal an die amerikanische Medienlandschaft angepasst haben. Der Begriff franchise ist ein Wesensmerkmal der amerikanischen Profiligen und beinhaltet vor allem das alleinige Verkaufsrecht des Vereins durch einen oder mehrere Besitzer, keine Bindung einer Mannschaft an einen Standort und das abgeschlossene Ligasystem. Die Großen Dreieinhalb sind als Unternehmen und demzufolge als Ware zu verstehen, bei der ein sportlicher Erfolg den Wert des Unternehmens steigen lässt (vgl. Rockerbie 2007).
Literatur:
Markovits, Andrei S./Rensmann, Lars (2007): Querpass. Sport und Politik in Europa und den USA. Göttingen: Verlag Die Werkstadt.
Markovits, Andrei S./Hellerman, Steven L. (2002): Im Abseits – Fußball in der amerikanischen Sportkultur. Hamburg: Hamburger Edition.
Kuhn, Helmut (1994): Fußball in den USA. Mit einem Geleitwort von Franz Beckenbauer und Gerd Müller. Bremen: Edition Temmen.