Bulle sucht Heimat
Zur Vorgeschichte: RB Leipuig ist ein Retorten-Verein, der von Redbull in die Welt gestetzt wurde. Mit viel Geld wird hier versucht ein Verein Bundesliga reif zu kaufen. Ob das funktioniert, wird man wohl erst in ein paar Jahren genau wissen.
Es gibt ein Adjektiv, das dieser Tage bei RB Leipzig ganz gerne verwendet wird: «erstligareif». Die Gegner heißen in der Regionalliga Nord zwar noch immer ZFC Meuselwitz, VFC Plauen oder VfB Germania Halberstedt. Wenn dieses Wörtchen in den Mund genommen wird, geht es aber auch keinesfalls um die sportliche Reife der Mannschaft, sondern vielmehr um das Drumherum. «Die Bedingungen in Leipzig sind erstligareif», sagen Kapitän Daniel Frahn und Mittelfeldspieler Tim Sebastian – zeitlich versetzt um fünf Minuten – nach einer der letzten Trainingseinheiten vor der Winterpause. Sportdirektor Wolfgang Loos schließt sich dieser Meinung später an. Nur der Tonfall des Satzes variiert.
Gemeint ist damit neben der 44.345 Zuschauer fassenden Red Bull Arena vor allem das neue Trainingszentrum am Cottaweg, das die Leipziger vor drei Monaten bezogen. Für knapp fünf Millionen Euro wurden unweit des Stadions drei große Fußballfelder mit Naturrasen, zwei davon beheizt, ein Kunstrasenplatz und eine Flutlichtanlage, mit der man laut Pressesprecher Sharif Shoukry «Spiele in HD-Qualität übertragen könnte», aus dem Boden gestampft. Für rund 25 weitere Millionen sollen bis 2013 die Geschäftsstelle, ein Nachwuchsleistungszentrum, zwei weitere Fußballplätze und eine Tribübne für rund 1000 Fans entstehen. Dafür muss der Verein im kommenden Jahr allerdings noch eine Hürde nehmen: eine Umweltverträglichkeitsprüfung des insgesamt 92.000 Quadratmeter großen Areals.
Wem gehört die BVB-Figur in der Kabine?
Bis zur Fertigstellung des kompletten Vereinsgeländes hausen die Spieler noch in einem mit Graffiti verzierten Containerzug. Ein Blick ins Innere zeigt: Auch hier mangelt es an nichts. Kraft- und Wellnessbereich mit Sauna, Bilder von Red-Bull-Extremsportlern und Mannschaftsfotos zieren die Wände. Nur die schwarz-gelbe BVB-Figur in der Spielerkabine macht ein wenig stutzig. Wem die gehört? Das will Pressesprecher Shoukry lieber nicht verraten.
Bis es gegen Borussia Dortmund oder den FC Bayern München in der Bundesliga geht, wird es für Leipzig noch etwas dauern. «Jeder weiß: Wir sind Regionalligist und wollen nicht Regionalligist bleiben. Aber wir haben keinen genauen Zeitplan für den Aufstieg oder gar für die Bundesliga. Und da lassen wir uns auch nicht unter Druck setzen», sagt Sportdirektor Loos.
Mittelfristig ist die Bundesliga jedoch das klar ausgegebene Ziel des Investors aus Österreichs. In acht Jahren wolle man in der ersten deutschen Spielklasse angekommen sein, hieß es, als der Verein Rasenballsport Leipzig e. V. im Mai 2009 gegründet und im Juni die Spiellizenz für die fünftklassige Oberliga durch die Übernahme des SSV Markranstädt erworben wurde. Nach der verkorksten Saison 2010/11, die der Verein auf Rang vier und abgeschlagen hinter Aufsteiger Chemnitz beendete, ist man in Verzug geraten. Von den angepeilten acht Jahren sind bereits zweieinhalb verstrichen. Der Aufstieg zum Saisonende dürfte also – zumindest in den Planspielen von Red-Bull-Chef Didi Mateschitz – fest eingeplant sein.
Leipzig nach Führungschaos im Soll
Aktuell liegt der Verein knapp im Soll. Nach 18 Spielen steht Leipzig mit 42 Punkten an der Spitze der Regionalliga Nord. Dahinter lauern Holstein Kiel (41) und der Hallesche FC (40), die sich mit den Sachsen bislang einen harten Dreikampf liefern. «In der vergangenen Saison hatten wir 18 Punkte Rückstand auf den Aufstiegsplatz. Nun stehen wir im Winter ganz oben. Wenn man die Veränderungen im Trainerstab, in der Geschäftsführung und in der Mannschaft bedenkt, dann kann man damit mehr als zufrieden sein», sagt Loos und spielt damit auf das Führungschaos in diesem Jahr an. Denn Loos ist bereits der dritte RB-Sportdirektor nach Joachim Krug und Thomas Linke. Mit Präsident und Red-Bull-Fußballchef Dietmar Beiersdorfer, Geschäftsführer Dr. Dieter Gudel und Trainer Thomas Oral trennte sich der Klub 2011 von drei weiteren Führungsfiguren.
Auch wenn man sich in Leipzig nicht groß zum Stellenwert und zu nackten Zahlen äußern will: Das Projekt RB Leipzig hat für den Konzern eine hohe Priorität und steht in der Hierarchie vor den Fußball-Engagements in Salzburg, New York, Sao Paulo (Brasilien) und Sogakope (Ghana). Das verkündete Mateschitz vor der Saison. Die Philosophie lautet: den besten Nachwuchs im Osten der Republik rekrutieren. «Wir setzen schon jetzt sehr intensiv auf die Jugend. Denn unser Ziel ist es, bald mehrere regionale Spieler in die erste Mannschaft zu bringen und so die Identifikation zur Stadt Leipzig zu vergrößern. Dafür planen wir bereits das Nachwuchsleistungszentrum nach den DFL-Statuten», erklärt Sportdirektor Loos.
«Jeder Verein braucht Sponsoren»
Was die Zuschauerzahlen angeht, hat sich die bisherige Arbeit gelohnt. Zu den beiden Partien im DFB-Pokal gegen den VfL Wolfsburg (3:2) und den FC Augsburg (0:1) kamen jeweils mehr als 30.000 Fans. In der Regionalliga waren es in der Hinrunde im Durchschnitt 9130 Zuschauer – mehr als doppelt so viele wie in der Vorsaison. «RB Leipzig ist mittlerweile in der Stadt angekommen. Die Leute sehen, dass hier positive Arbeit geleistet wird und ein Aushängeschild für Leipzig entstehen soll.»
Die Vorwürfe, dass hinter diesem Vorhaben die Marketinginteressen von Red Bull stehen, hält Loos für «Heuchelei und reine Doppelmoral. Jeder Verein braucht Sponsoren und betreibt Kommerz», sagt der 56-Jährige. Die Proteste innerhalb der Leipziger Fanszene waren nach dem Bekanntwerden des Engagements von Red Bull anfangs groß. Am ehemaligen Stadion am Bad wurde der Rasen mit Unkrautvernichtungsmittel ruiniert und das Vereinsgelände beschmiert.
Das Verhältnis zu den verfeindeten Fans wie denen von Lok oder Chemie Leipzig habe sich aber mittlerweile gebessert. «Dass uns die Lok-Fans immer noch nicht mögen, ist kein Geheimnis. Es ist im Moment noch nicht vorstellbar, aber ich hoffe, dass irgendwann mal alle Leipziger hier ins Stadion kommen und ihre Stadt gemeinsam feiern», sagt Kapitän Frahn im news.de-Interview.
Noch keine eingeschworene Fangemeinde
Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Denn eine wirklich eingeschworene Fangemeinde wie bei einem Traditionsklub gibt es bei Rasenballsport Leipzig noch nicht. Das wird spätestens beim Training klar, zu dem sich diesmal kein Anhänger an den Cottaweg verirrt hat. «Wir haben vor zweieinhalb Jahren bei Null angefangen. Darum ist es logisch, dass wir noch keine eingefleischten Fans haben», sagt Frahn.
Manager Loos, der zuvor bei Traditionsvereinen wie dem 1. FC Köln, Eintracht Braunschweig, oder TuS Koblenz gearbeitet hatte, sieht darin kein Problem. «Bei meinen Ex-Vereinen Eintracht Braunschweig und dem 1. FC Köln musste man nur das Flutlicht anschalten und die Leute kamen von selbst. Diese Tradition kann es bei RB Leipzig nicht geben. Trotzdem sollte man einen Klub, der neu im Geschäft ist, seine eigene Philosophie gestalten lassen.»
In einer Sache sind sich bei RB dann noch mal fast alle einig. Und zwar, auf welchem Tabellenplatz der Klub am Saisonende landen wird. «Wir werden am Ende oben stehen», sagt erst Daniel Frahn und dann fünf Minuten später Tim Sebastian. Der Tonfall des Satzes variiert wieder leicht. Nur Loos tanzt diesmal aus der Reihe und ersetzt das Wörtchen «werden» durch das Wort «wollen».