Zweimal Deutscher Meister, Champions League den DFB- und den Weltpokal gewonnen. Martin Kree braucht sich wirklich nicht beklagen, er hat ordentlich abgeräumt in seiner Zeit beim BVB und dennoch ist er außerhalb eingefleischter Dortmund-Fans nur wenigen im Gedächtnis geblieben. Der Grund dürfte sein, dass Kree während seiner Karriere nicht unbedingt das war, was man einen typischen Man-of-the-Match-Fußballer nennen würde. Zugebenermaßen ist man als Verteidiger dafür auch nicht gerade auf einer prädestinierten Position, doch ungeachtet seiner stattlichen Erfolgsbilanz lässt sich Krees Karriere nüchtern formuliert etwa so zusammenfassen:
Kree hat in Bochum, Leverkusen und Dortmund gespielt. Er hat sehr viele Spiele gemacht, verfügte über ein sehr anständiges Zweikampfverhalten und hat niemals eine Rote Karte gesehen. Bis auf ein paar Einsätze in der U21und im B-Team war die Nationalmannschaft für ihn kein Thema. Kurzum: Martin Kree hat grundsoliden Bundesligafußball gespielt.
Wie ist dann zu erklären, dass er fester Bestandteil des BVB-Starensembles der zweiten Hälfte der 90er wurde und er, obwohl er mit Matthias Sammer, Julio Cesar und Jürgen Kohler mit drei echten Weltklasseleuten um einen Platz in der BVB-Abwehr konkurrierte, am Ende die zweitmeisten Spiele der vier Verteidiger machte?
Ganz einfach: Martin Kree verfügte über eine Fähigkeit, die ihn zu einem Spieler machte, den man im amerikanischen Basketball einen role-player nennen würde. Sicherlich kein Superstar, der Spiele an sich reißt und im Alleingang entscheidet, sondern ein Mann für die speziellen Momente. Dann, wenn ein Spiel nicht so läuft, die eigene Taktik nicht aufgeht und die Angriffsbemühungen im Sande verlaufen. Dann schlug die Stunde des Martin Kree, dem Mann mit dem härtesten Schuss in der Bundesliga.
Gerade zu Beginn seiner Karriere beim VfL Bochum war er sogar aufgefordert immer mal wieder aus der zweiten Reihe abzudrücken und eine seiner Bomben auf das gegnerische Tor zu jagen. Beim Tennis immer noch ein ganz solider zweiter Aufschlag, aber Martin Kree erlaubte sich den Spaß einen Fußball mit mehr als 130 Sachen in Richtung Keeper zu donnern.
Der Grund liegt auf der Hand. Wer bei Bochum spielt, ist in erster Linie damit beschäftigt nicht abzusteigen und findet sich entsprechend häufig in Spielen wieder, bei denen es eher nicht so läuft: Viel Druck durch den Gegner, häufiger Rückstand, keine klaren Torchancen für den eigenen Angriff. Macht nicht so besonders viel Spaß und viele Trainer wünschen sich in solchen Situationen einen Befreiungsschlag. Und genau diesen konnte Martin Kree liefern, wenn er wieder einmal aus knapp 28 Metern abzog und dabei einen Huf rausholte, dass jedem Keeper Angst und Bange wurde, wenn er an so eine Granate auch noch mit den Händen ran musste. Kree hat mit 401 Bundesligaspielen und 51 Toren eine für einen Verteidiger ganz brauchbare Torbilanz, doch selbst wenn ein Schuss keinen Torerfolg brachte – spätestens jetzt waren alle wieder wach – und eine Mannschaft, der bis eben dachte, sie hätte das Spiel im Griff, ist sich, nachdem sie gerade nur knapp einem Meteoriteneinschlag entgangen ist, da gleich gar nicht mehr so sicher. Und genau das machte Martin Kree so wertvoll. Völlig egal, ob ein Team im Vergleich eigentlich das schlechtere ist: Wenn es einen so schussgewaltigen Mann in den Reihen hat, flößt das dem Gegner ordentlich Respekt ein – im Idealfall bekommt er richtig Schiss und im Umkehrschluss steigert es natürlich ordentlich die Moral der eigenen Elf.
Noch deutlicher wurde das, wenn Kree zum Elfer antrat. Läuft das bei einem normalen Schützen so, dass er sich den Ball zurechtlegt, anläuft, Schuss und drin – hieß es bei Kree nur: Ball auf den Punkt, anlaufen, BÄMMDRIN! Und während das halbe Stadion noch dachte: „Was war das denn?!“ fühlte sich der gegnerische Keeper, als hätte ihn gerade jemand mit einer FLAG zurück in die Grundschule geschossen. Von Vorteil war dabei natürlich, dass Kree den Ball hier eigentlich nicht weiter platzieren musste. Das Spiel gedreht hatte er allemal.
Dabei war es gar nicht mal so wichtig, dass Kree viele Tore schoss. Es genügte, dass alle wussten, da hinten rennt einer rum, der es so krachen lassen kann, dass er einen Torwart zum Sportinvaliden machen kann. Denn selbst wenn der die gegnerische Mannschaft überlegen war, vielleicht sogar komfortabel in Führung lag, brauchte es nur einen Freistoß und der Gegner bekam urplötzlich Schiss. Man braucht sich nur zu überlegen, wie lustig das war gegen Kree die Mauer stellen zu müssen, wenn der gerade dabei war den Raketenwerfer auf ON zu stellen. Und blieb der Ball in der Mauer hängen – auch nicht schlimm – die Mauer musste dann erst mal aus der Bande geschnitten werden und der Gegner meistens wechseln. Bochum ist auf diese Weise mehrmals in dem Abstieg entgangen.
Leider lässt es sich statistisch nicht erfassen, welchen Vorteil es einem Team bringt, wenn es den Mann mit dem härtesten Schuss der Liga in den eigenen Reihen zu stehen hat, weshalb Martin Kree wahrscheinlich auch nicht in die Annalen der Bundesliga eingehen wird. Aber es lässt sich schwer leugnen, dass sich jede Mannschaft erst mal ganz schön wohlfühlt, wenn sie weiß, wir haben ihn, und auch jeder Gegner nachdenklich wird und denkt: „Scheiße, da steht er und will uns alle umnieten!“ Der Mann mit dem härtesten Bums der Bundesliga.